Ich arbeitete sieben Jahre lang an Thailands Westküste als Wildtierfinder und möchte ein update ins Rheinland geben, wo wir hier nun stehen. Neben meterlangen Drachenechsen, kleinen Dschungelbären, Wildelefanten, Zwerghirschen (90cm niedlich), den obligatorischen Walhaien, lästigen Makaken, Korallen (sind auch Tiere), immer wiederkehrenden Berichten von Tigerspuren oben in den Hügeln, 10m Pythons, der gelegentlichen Königskobra in der Einfahrt – hat es (nicht nur) mir vor allem der Große Mantarochen (Manta Birostris) angetan.
Dies liegt vor allem am, nun ja.. Menschsein. Generell ist die Begegnung mit jeglichen Großgetier in seinem eigenen Lebensraum (und ausserhalb unserer eigenen Comfortzone) eine ziemlich flashige Angelegenheit – das hat vor allem mit der biochemischen Reaktion unseres Körpers zu tun. Begegnungen mit Tieren in uns vergleichbarer Größe aktiviert sofort Instinkte, die in unserem normalen Alltag nicht mehr zum Einsatz kommen. Je nach Situation ist es faszinierend herauszufinden welch Bandbreite an körpereigenen Drogencocktails uns zur Verfügung steht – um z.B. innerhalb von Millisekunden die Aufmerksamkeit zu schärfen oder in einen Alarmzustand zu versetzen. Interaktion von Mensch und Großtier ist ja natürlich als absoluter Normalfall vorgesehen, es kommt heute nur noch selten vor – da kann man viel über sich selbst lernen. Beim Mantarochen kommt hinzu, daß man sich ausserhalb der eigenen Umwelt in einem anderen Medium einem riesengroßen aber freundlichen und sozial interessiertem Flügelwesen (im Wasser) gegenübersieht – kurz: da kommt einiges an kognitiven Dissonanzen zusammen – eine Begegnung mit einem Manta ist eines der eindrucksvollsten Dinge, die der Planet für Dich parat hat, da leg‘ ich mich fest.
Wir unterscheiden hier, ganz unwissenschaftlich, drei Stufen der Begegnung zwischen Mensch und Mantarochen:
1. Sichtung
Das Tier zieht zielstrebig, in einiger Entfernung durchs Sichtgebiet der Taucher und zeigt momentan kein Interesse an weiterer Aktion. Dies allein löst bei „Erstkontakten“ bereits hochemotionale Reaktionen unserer Gäste aus. Mantas sind in echt viel eindrucksvoller als auf Fotos.
2. Nähere Betrachtung
Der Taucher ist für einige Zeit Objekt eingehender Betrachtung, der Rochen wird zügig und zielstrebig auf den Taucher zusteuern, in unmittelbarer Nähe die „Flügelschläge“ einstellen und so ruhig und nah wie möglich (oft in Armeslänge) etwas oberhalb der Augenhöhe am Taucher vorbeikurven wobei ein Auge direkt auf den Taucher gerichtet bleibt. Ein nicht ganz unbegründetes Gefühl von “Augenkontakt“ entsteht. Wer dies zum ersten mal erlebt, hat auf jedenfall ein unvergessliches Erlebnis mit Suchtfaktor dem Erfahrungsschatz hinzugefügt. In aller Regel sind nach dem ersten Vorbei“flug“ noch nicht alle Fragen geklärt, daher wird der Rochen diesen Vorgang einige Male wiederholen.
3. Volle Interaktion
Dies tritt meist in folgenden zwei Fällen auf: Man befindet sich in einer aktuellen Manta-Agreggation mit primär sozialer Ausrichtung (Deutsch: hhmm, Party?). Der Taucher wird als ankommender Gast derselben in Betracht gezogen und auf die für den Anlass benötigten sozialen Skills abgeklopft z.B die berühmten Loopings des Tiers um den Taucher bedeuten oft: „Ey, kannst Du Flirt-Train? Versuchs doch mal…“ Eine weitere Möglichkeit ist, dass man sich auf einer „Cleaning-Station“ befindet und das Tier ein größeres Problem mit sich herumschleppt, wozu es größere Putzerfische benötigt – so ein Taucher an sich ist ein stattlicher Putzerfisch, da kann man schonmal nachfragen. Mantarochen die sich in Netze oder Leinen verheddert haben kommen oft zu Tauchern um das Problem loszuwerden (siehe Video unten). Hat ein Individuum bereits positive Erfahrungen mit Tauchern gemacht, wird er es natürlich dort wieder versuchen – das gute an Tauchern ist ja, die sind so laut, man kann sie Kilometerweit hören. Ob einzelne Mantas von den Erfahrungen ihrer Artgenossen profitieren können, ist wissenschaftlich komplett unbewiesen, die Annahme steht im Raum.
Die aktuellen Projekte:
1. Volkszählung
Seit einigen Jahren ist die Bestandsaufnahme der weltweiten Großfischpopulationen in vollem Gange. Privatpersonen und Interessierte sind aufgefordert ihre Sichtungen per ID Fotos auf webseiten www.mantamatcher.com zur Verfügung zu stellen. (Hier findest Du z.B.: „Agrippina“ auf Mantamatcher – meinen ersten identifizierten Manta habe ich mit diesem Namen Köln gewidmet). Die Populationen leicht erreichbarer und damit oft betauchter Gebiete sind mittlerweile gut erfasst, aber der Ozean ist groß und es ist dringend erforderlich auch abgelegene und selten besuchte Gebiete zu untersuchen – dies ist einer der Hauptgründe für Expeditionen wie unsere.
2. Hieb und Stichfeste Migrationsbeweise
Internationale Organisationen, deren Regeln, Budgets und alles was damit zusammenhängt, kommen erst dann ins Spiel, wenn eindeutig belegbar ist, dass Populationen regelmäßig Ländergrenzen überschreiten. Schutz einer Spezies in einem einzelnen Land macht keinen Sinn, wenn die gleiche Population im Nachbarland zur Jagd freigegeben ist. Das Stichwort hier ist „eindeutig belegbar“ – im wissenschaftlichen Sinne bedeutet dies einigen Aufwand. Dr. Marshall und Ric Parker hatten bereits 2011 das erste Individuum Manta Birostris in Thailand und Myanmar eindeutig identifiziert. Erst seit meiner dokumentierten Begegnung eines weiteren „Migrators“ auf Black Rock in Myanmar, der bereits ein Jahr vorher in Thailand gesichtet wurde liegt der Fall bei der UNO und das Thema internationaler Artenschutz für Mantas ist nun auch auf dem politischen Parkett zumindest existent. Seither sind knapp zwei dutzend weitere „migratory individuals“ eindeutig nachgewiesen worden – nicht zuletzt auch auf unseren vergangenen Expeditionen. Während Thailand in Bezug auf Artenschutz für „Tiere-die-alle-lieb-haben“ mittlerweile positiv hervorzuheben ist, sperrt sich Myanmar (noch) gegen konkrete Maßnahmen und Verpflichtungen. In Thailand arbeiten wir nun offiziell als lokales Forschungsprojekt mit Genemigung der entsprechenden Ministerien und lokalen Behörden, während wir in Myanmar weiterhin auf bürokratischen Granit beissen, wenn es um den wichtigen Papierkram geht. Hier bleibt für uns nun weiter die einzelnen Grenzgänger zu identifizieren und zählen bis die offizielle Zahl der Migrantenmantas so hoch ist, daß sich Myanmar internationalem Druck beugen muß.
3. Was essen die, wo poppen die, wo sind all die Männchen?
Simple Detailfragen wie die Ernährung (ja, sie snacken auch Plankton, aber das ist nicht die ganze Geschichte) und Fortpflanzung (es ist noch nie sowohl ein Geschlechtsakt als auch eine Geburt dokumentiert worden) sind weiterhin offen. Die Ernährungsfrage kam mit der Untersuchung von Gewebeproben in Mozambik 2012 wieder auf den Tisch – die allgemeine Annahme, es ginge lediglich um Plankton als Hauptnahrung ist nun nur noch eine Teilwahrheit. Weitere Gewebeproben aus anderen Weltteilen sind nötig. Da Gewebeprobenentnahme eine invasive Forschungsmethode ist (dem Tier werden kleine Teile entfernt – im Gegensatz zum nichtinvasivem Fotografieren) wird es hier schwierig. In Thailand sind invasive Forschungsmethoden an Meereslebewesen verboten, Punkt. Wir ermöglichen einigen Wissenschaftlern zwar unerlaubterweise einige dieser Aktivitäten – diese haben aber dann das Problem, dass die gewonnenen Daten nicht in Veröffentlichungen verwendet werden können. Weiterhin sind 85% unserer Begegnungen hier an der Westküste entweder weibliche Individuen oder Jungtiere beiden Geschlechts. Wo sind die Gentlemen und was machen sie?
Es ist faszinierend wie wenig wir wirklich über einen der größten Ozeanbewohner wissen – erst wenn all diese offenen Fragen beantwortet sind, können effektive Schutzmaßnahmen entwickelt werden.
..und diese Expeditionen?
Ray Of Hope Expeditions Myanmar & Thailand 2017 from Janneman Conradie on Vimeo.
Von 2011 bis 2016 waren wir als lokales als lokaler Servicedienstleister damit beauftragt, die Ray Of Hope Expeditionen der Foundation for Marine Megafauna zu organisieren und durchzuführen. Prinzipiell sind dies normal buchbare Tauchkreuzfahrten, auf denen die Feldforscher mitfahren und ihre jeweilige Feldarbeit vor den Augen der interessierten Gäste durchführen. Die zahlenden Gäste ermöglichen dem wissenschaftlichen Team die Teilnahme und dadurch die einfache Erreichbarkeit vieler nur durch hohen finanziellem Aufwand erreichbarer Orte, da diese Expeditionen weltweit organisiert werden. Oft kommen die Forscher von einem Trip in Ecuador direkt auf den nächsten in Galapagos, dann nach Thailand/Myanmar und reisen dann sofort in ihr Hauptquartier in Mozambik weiter – ja, Meeresbiologe müsste man sein. Diese Expeditionen erwirtschaften keinen Gewinn – dieser geht für die Forschungslogistik drauf und sind daher durchaus im Preisbereich normaler Divecruises auf vergleichbaren Booten. Die Gäste können/sollen sich in das Forschungsgeschehen einbringen – meist durch eigene Fotos. Abends gibt es Vorträge zum Thema und die Erlebnisse des Tages werden in den großen Zusammenhang gesetzt. Diese offiziellen Ray Of Hope Expeditionen haben in den letzten Jahren so große Aufmerksamkeit erreicht, dass die Organisation davon für uns eigentlich nur noch ein paar eMails pro Jahr ist. Die wissenschaftliche Marke Marine Megafauna Foundation wird mittlerweile von Großspendern und medientechnisch von Giganten wie National Geographic getragen, sodass an uns als lokalem Team hier kaum mehr Bedarf besteht. Über die Jahre haben wir hier in Thailand für diese Expeditionen neben dem lokalen Kompetenznetzwerk auch eine ansehnliche Stammkundschaft aufgebaut, die sich die offiziellen Expeditionen nicht wiederholt leisten mögen, da dort der rudementäre Start-Up Charme der ersten Jahre fehlt. Auch die zweite Garde der Forscher ist händeringend auf weitere regelmäßige Low-Profile Expeditionen angewiesen, da die Ergebnisse der ersten Jahre weitere Detailstudien nach sich ziehen und nicht jeder Meeresbiologe den finanziellen und medialen Attraktionsstatus einer Queen Of Mantas erreichen kann.
Deswegen jetzt: Off The Chart!
Wir sind mit der Führung der Marine Megaufauna Fnd. überereingekommen, dass high-profile Expeditionen für high-profile Spender und high-profile Medien ja schön und gut sind, die Basisarbeit aber an der der Basis, jeden Tag – und nicht nur auf einzelnen 5*-Cruises stattfindet. Daher haben wir letztes Jahr den Segen und das Go für eine weitere Expeditionsreihe in Südostasien bekommen. Unser Ansatz hierbei ist diese Expeditionen so günstig wie möglich, so oft und mit soviel Spaß wie möglich zu gestalten. „Off The Chart“ heisst raus aus der Komfortzone, abseits der bekannten Routen mit relativ wenig Schlaf Erlebnisse und Erkenntnisse zu schaffen. Im März 2017 fand die Jungfernfahrt bis an die Nordspitze des Mergui Archipels statt.
Wir haben in 9 Tagen knapp 1000 Kilometer zurückgelegt, mehrere wundervolle Tauchplätze entdeckt (und einige nicht so tolle auch), ca 80 Liter Spirtuosen vernichtet, ein Lied geschrieben (also „8 Days A Week“ von den Beatles richtig schlecht gecovert), verbotenerweise Meerwasserproben in Myanmar gesammelt, eine alte Unterwasserbombe geborgen, 20 fantastische Tauchgänge am Ende der Zivilisation absolviert und dokumentiert, einen Aggregationsort für Großfisch für uns erschlossen, eine Mondphasenhypthese erstellt, die wir nächstes Jahr zu testen gedenken, Schwertfische gesehen, Wale auf den Tauchgängen gehört und vieles, vieles mehr.
Wir werden in Zukunft mindestens eine Expedition pro Jahr jeden Februar/März von Thailand nach Myanmar aus anbieten, und ab diesem Dezember Winter zusätzlich Raja Ampat in Indonesien.
So läuft das ab
Die schlimmsten Tage, sind die an denen wir weitere Strecken zurücklegen müssen und daher ab dem Vormittag keine Tauchgänge mehr stattfinden. Unser Moraloffizier Rachel ist da ab ca 10:30 sehr streng mit den Gästen: „No more diving, so it’s Gin & Tonic for everybody – NOW!“
Man kann, wie ich als bekennender Nichttrinker, vorher eine Ausnahmegenehmigung beantragen, hat aber den Nachtteil, dass ich dann meist der einzig nüchterne Gesprächspartner bin, der dann noch zur Verfügung steht. Achso, ja normale Tage gibt’s auch noch – meist sind 4 Tauchgänge angesetzt. Die Gegenden, die wir besuchen sind sehr einsam und oft unbesucht – wir versuchen daher, die Landgänge auf ein minimum zu beschränken. Alles Schlechte kommt vom Land her – Moskitos, Sandflöhe und dergleichen.
„Das ist doch nur was für eingefleischte Taucher“
Diese Annahme wäre fast komplett falsch – zwar sind ein Hauptteil der Gäste professionelle oder zumindest sehr erfahrene Taucher. Das Tauchen selbst ist aber hier Mittel zum Zweck und steht thematisch überhaupt nicht im Vordergrund. Wir haben jedesmal auch mehrere blutige Anfänger dabei und die Tauchgebiete sind oft fortgeschritten. Den Anfängern stehen aber selten soviele Pros als Buddies zur Seite wie hier. Das Hauptproblem für die Anfängern ist, dass jene nach der Expedition oft denken, jede normale Tauchsafari wäre nur Ansatzweise so cool wie diese Expeditionen – sind also dann zu verwöhnt fürs echte Leben.
Interessiert?
Wir werden alle zukünftigen Expeditionen hier ankündigen: http://www.scuba-diversion.com/manta-ray-research-trips-khao-lak/
Für die Teilnehmer vergangener und zukünftiger Expeditionen gibt es eine FB-Page, hier kann man sich ein gutes Bild vom Vibe machen: https://www.facebook.com/OffTheChartExpeditions/
Würde mich freuen demnächst mal wieder jemanden von euch an Deck begrüßen zu dürfen ansonsten wünsche ich Allseits:
Immer noch’n GB Platz auf der SD-Card!