Die Überlebenden zu zählen

„Wir führen einen industriellen Vernichtungskrieg gegen Fisch ..und wir gewinnen!“ – Prof. Dr. John Sheperd


Totes Riff vor dem Similans – ein einsames Longnose-Hawk Pärchen sucht einen Brutplatz

Glasklares sauberes Wassser, enorme Heringsschwärme mit Milliarden von Individuen, Millionen Haie dutzender Arten, Barsche deren Gewicht in Tonnen zu messen ist, Schulen bestehend aus hunderten von Makrelen – jede zweienhalb Meter lang, beeindruckende Thunfischschwärme, Delphine und jede Menge Wale ..das war die Nordsee vor 150 Jahren. Die haben wir offensichtlich geschafft, nichts davon ist mehr übrig.  Das Wasser ist trüb, leblos und die Käpt’n Iglo Flotte ist längst weitergezogen.

Es dauerte fast zwei Menschenalter bis wir aus der Nordsee die Wüste geschaffen haben, die wir heute sehen können. Da haben wir uns verbessert – die Kapazität der industriellen Fischflotten ist so groß, dass sie heute schon theoretisch alle Meere innerhalb eines Monats komplett ausfischen könnten. Weiterhin haben wir perfidere Methoden entwickelt, um den Lebensräumen von anderer Seite her zu Leibe zu rücken – CO2 versauert das Wasser und setzt das chemische Gleichgewicht unter Druck, warmes Wasser – Resultat der Klimaerwärmung – zerstört direkt die Kinderstuben der Arten und mit Plastikmüll haben wir eine hocheffiziente Zeitbombe in die Meere entlassen, kurz: der Lebensraum Ozean hat nach optimistischen Schätzungen noch ca 20 Jahre, seien wir realistisch und sagen 15 Jahre bis zum Ende seiner Existenz als lebendes Ökosystem. Verfolgen kann man die Entwicklung in deutschen Mainstreammedien meist unter der Überschrift „Great Barrier Reef, Australien“ – 50% davon sind bereits tot, die nächsten 50% vom Rest können wir in den nächsten fünf Jahren beim Sterben zusehen ..in HD auf ARD&ZDF.

Die Riffe in meinem Wohnort benötigten lediglich vier Monate Warmwasser, aus dem Rückstrom des Klimaphänomens La Nina im Sommer 2010, um zu ca 90% abzusterben – seitdem bin ich mit der Dokumentation dieser sterbenden Umwelt beschäftigt. Hier herrscht ein Monsun-Wettersystem, das uns in den Sommermonaten Wind, Wellen und Stürme beschert und in den Wintermonaten das allerbeste stabile Sonnenscheinwetter – dies ist die Urlaubssaison, in der viele Taucher die Riffe sehen möchten und die Inseln wimmeln nur so vor Tauch- und Ausflugsbooten, die die Fischerflotten verdrängen, welche während der Sturmzeit holen, was sie kriegen können. Ab Ende dieser Woche werde ich wieder Gelegenheit haben zu dokumentieren, was die hiesigen Fischer uns diesmal übrigließen und welche Auswirkungen CO2, Plastikmüll, Langleinen und Großwetterlage auf das Ökosystem hatten.

Dieses Jahr geht es um mehr als sonst – im März 2013 findet in Bangkok die globale CITIES Konferenz, die Nachfolgerin der Washingtoner Artenschutzkonferenzen aus den 80ern, statt – in jener werden die Delegierten erneut definieren, welche Arten in welche Gefährdungsstufe einzuordnen sind, und welche neuen weltweiten Handelsbeschränkungen umzusetzen sind. Das jeweilige Gastgeberland hat das Recht einseitig bestimmte Arten auf die Agenda zu setzen und Thailand muss nun entscheiden für welche Arten es ein weltweites Handelsverbot beantragen. Dies ist wichtig, da aus dem Umstand heraus, dass viele Arten bereits nicht mehr existieren, der weltweite Appetit sich neuen Arten zuwendet, die bisher noch nicht auf der Speisekarte standen „..aber wenn die Makrelen weg sind, dann essen wir halt Mantas..“

Am Donnerstag, den 01. November werde ich nun endlich wieder in See stechen, um die Similan & Surin Inseln zu dokumentieren. Für mich geht es ums sammeln, vorrangig Fotos. Das Foto von Jean-Jacques Custeau mit Speer neben einem Zackenbarsch doppelt so groß wie er selbst ist legendär und mutet heute wie aus einem Science-Fiction Film an – Die größten Zackenbarsche im Riff sind heutzutage höchstens mal so groß wie eine Colaflasche.. Die Arten werden verschwinden, die Fotos kann man noch zeigen und sie werden in Zukunft mahnen, was unbedachter Konsum von Fischstäbchen dem Planeten antun.

Ich werde auch Proben von Algen auf den abgestorbenen Korallen und Meerwasserproben nehmen, um sie den Wissenschaftlern zur Verfügung zu stellen – Thailand ist sehr restriktiv was das den Zugang ausländischer Wissenschaftler zu seinen Nationalparks angeht, also bin ich auf einer Undercover Mission mit Risiko – Proben zu entnehmen ist strafbar und könnte mit meiner Ausweisung enden. Mir wurde auch aufgetragen bestimmte Orte regelmäßig zu besuchen um die Fischbestände dort über die nächsten sechs Monate zu dokumentieren – welche Arten, wieviele davon – ihr genereller Zustand und Paarungsverhalten.

Verschiedene Ozeaninstitute warten auf statischtische Daten über Anzahl von Tauchbooten, Tauchern und wieviel Geld jene in der Lokalen Wirtschaft hinterlassen, um den touristischen Wert von Korallenriffen, Fischen, Haien und Mantarochen endlich auch in Asien beziffern zu können, so wie dies in der Karibik seit Jahrzehnten Standard ist.

Ich werde diese Daten mit jenen der letzten Saison vergleichen müssen, um die Entwicklung dokumentieren, ich bin gespannt ob ich einzelne Individuen Mantarochen oder Riffhaie (einige von Ihnen kenne ich bereits recht gut) wiedertreffe – ob sie diese Fischereimonate überlebten ..ich bin gespannt und noch nicht sehr optimistisch.

Feines Tier